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- Veröffentlicht: 24. September 2020
Wie hilft Sport bei Depressionen? Das sagt die Forschung!
Körperliche Aktivität hat sowohl vorbeugende Effekte, um Depressionen präventiv entgegen zu wirken, wird aber genauso erfolgreich bei bestehenden milden bis moderaten Depressionen eingesetzt – auch parallel zu anderen Therapien (Verhaltens- oder Medikamententherapie).
Wann spricht man von Depressionen?
Depression ist eine ernsthafte medizinische Krankheit, die einen negativen Einfluss auf das Befinden, die Gedanken und Handlungen haben kann. Häufig sind Gefühle von Traurigkeit und/oder der Verlust von Interesse an Aktivitäten Teil davon. Es kann zu einer Vielzahl an emotionalen und körperlichen Problemen führen und dazu, dass der berufliche und private Alltag nicht mehr bewältigt werden kann.
Depression ist etwas anderes als Trauer und Kummer (zum Beispiel aufgrund eines Verlustes einer Person). In diesen Situationen entwickeln sich auch Gefühle, die umgangssprachlich manchmal als „depressiv sein“ bezeichnet werden. Auch wenn sie sich gegenseitig beeinflussen (Depression und Trauer), sind sie unterschiedlich und diese Unterscheidung kann dabei helfen, die richtige Unterstützung oder Behandlung zu erhalten.
Bei Depressionen treten sehr häufig Begleiterkrankungen wie psychiatrische Störungen (häufig Angststörungen), genauso wie physische Erkrankungen (vor allem kardiovaskuläre Erkrankungen) auf.
Die Diagnose erfolgt fachkundig anhand von Untersuchungen und Befragungen. Hauptcharakteristiken sind fast täglich auftretende depressive Stimmungen, der Verlust an Interesse und Freude an fast allen Aktivitäten, Appetitstörungen mit Gewichtsverlust oder -zunahme, Schlafstörungen, Gefühle der Erschöpfung oder Wertlosigkeit, verminderte Fähigkeit zu denken oder sich zu konzentrieren, bis hin zu suizidalen Gedanken und Handlungen. Wenn Sie sich betroffen fühlen (oder eine Person kennen), nehmen Sie bitte Kontakt zum Arzt oder zur Ärztin Ihres Vertrauens auf.
Die Wirkung von körperlicher Aktivität
Was sagt die Forschung?
Seit vielen Jahrzehnten wird die Wirkung von körperlicher Aktivität bei Depressionen erforscht. Bereits 1905 wurde eine Studie veröffentlicht, die beschreibt, dass moderate körperliche Aktivität zu signifikanten (deutlichen/erheblichen) Verbesserungen der kognitiven, physischen und emotionalen Konditionen von Patienten mit schweren Depressionen führt.
Auch in neueren Studien der vergangenen Jahre wurden die akuten Wirkungen und Langzeiteffekte von Bewegungstherapien untersucht. Sie kamen zu sehr positiven Ergebnissen. Es wurde bestätigt, dass eine Trainingstherapie (30 Minuten Walken oder Joggen, dreimal pro Woche) nach vier Monaten zu gleichen Ergebnissen führt wie eine Medikamententherapie (in dieser Studie erfolgte der Vergleich mit Sertralin (Zoloft)). Wenn bereits eine medikamentöse Behandlung besteht, wirkt eine zusätzliche Bewegungstherapie ebenso positiv. Manche Antidepressiva (trizyklische Antidepressiva) können aufgrund ihrer möglichen Nebenwirkungen wie erhöhte Herzfrequenz, trockener Mund oder Schwitzen die Bewegungstherapie schwieriger machen. Moderne Antidepressiva gelten als verträglicher mit weniger Nebenwirkungen und beeinflussen das Training kaum.
Weitere Studien haben die unterschiedlichen Trainingsintensitäten und Trainingshäufigkeiten verglichen und kamen zu dem Ergebnis, dass die allgemein gültigen Empfehlungen (30 – 45 Minuten moderate Aktivität fünf Tagen pro Woche) bei milder bis moderater Depression zu positiven Veränderungen führen.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass jeder Mensch individuell ist. Eine Studie gibt Auskunft darüber, welche Methode (statistisch berechnet) Erfolg bringt. Ob eine alleinige Bewegungstherapie der richtige Weg ist, oder die Kombination mit Medikamenten oder mit einer kognitiven Verhaltenstherapie, ist individuell abzuwägen. Gegen einen Versuch, regelmäßige Bewegung in den Lebensstil aufzunehmen, spricht jedoch nie etwas! Bitte besprechen Sie aber Änderungen der Medikamenteneinnahme immer vorher mit ihrem behandelnden Arzt oder ihrer Ärztin.
Wie ist die Wirkung zu erklären?
Die erfolgreiche Wirkung von Bewegung und Sport wurde in einer Vielzahl von Studien bestätigt. Es gibt unterschiedliche Hypothesen (Theorien) auf welche Weisen körperliche Aktivität wirksam ist.
Körperliche Aktivität involviert eine Veränderung des Verhaltens. Bei Depressionen ist das Verhalten der betroffenen Person häufig mit Passivität, Rückzug und Isolation charakterisiert. Eine Verhaltensänderung kann Gedanken und Emotionen beeinflussen und dadurch zu einer Umkehr der Depression beitragen, vergleichbar mit der kognitiven Verhaltenstherapie / Psychotherapie.
Die durch Bewegung geförderten positiven Gedanken und Emotionen erhöhen das Vertrauen in sich selbst und in die eigene Fähigkeit, mit der Erkrankungen kontrollierter umgehen zu können.
Eine andere Theorie ist, dass körperliche Aktivität die Stressresistenz erhöht. Physiologisch wird dies durch eine reduzierte Aktivität in einem komplexen Bereich unseres Hormonsystems erklärt („Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse“). Bei Depressionen ist genau diese Funktion oft pathologisch erhöht.
Eine sehr populäre Hypothese ist der Effekt körperlicher Aktivität aufgrund einer erhöhten Konzentration an Endorphinen. Es gibt bereits Studien, welche dies bestätigen, aber die genauen Wirkmechanismen bei Patienten, die mit einer Bewegungstherapie behandelt werden, sind noch nicht ausreichend erforscht.
Eine mögliche Wirkungsweise ist auch die nachgewiesene Zellregeneration in einigen Teilen des Gehirns durch körperliche Aktivität, zum Beispiel im Hippocampus, der wichtig für das Lernen und die Erinnerungsfähigkeit ist. Dieser Ansatz ist vielversprechend, denn Wissenschaftler haben herausgefunden, dass bei Menschen mit Depressionen ein niedrigeres Volumen im Hippocampus besteht, und auch manche Behandlungen mit antidepressiven Medikamenten zielen auf die Zellregeneration in diesem Bereich an.
Körperliche Aktivität / Bewegung
- reduziert das Risiko der Entstehung von Depressionen.
- gilt als wertvolle Behandlungsmethode bei klinischen, depressiven Störungen. Das Training kann parallel zu anderen antidepressiven Behandlungen, wie Medikation und/oder Psychotherapie, durchgeführt werden.
- vermindert das Risiko von weiteren depressiven Episoden – zu Beginn einer Depression, aber auch im späteren Verlauf.
HINWEIS
Sport ist nicht gleich Sport!
Eine Bewegungstherapie bedeutet nicht, dass man dreimal pro Woche laufen oder joggen gehen soll (außer man mag und schafft das), oder dass man in einer Gruppe gemeinsam Sport machen muss. Es kann jede Form der Bewegung sein, die man sich vorstellen kann. Begonnen beim Bewegen zuhause (zum Beispiel mithilfe verschiedener Online-Videos: ob es nun Yoga, Pilates, Krafttraining, Aerobic, Tanz,… ist), über Spaziergänge in der Natur, Wandern, (Nordic) Walking, Schwimmen, bis hin zu geführten Trainings (Einzel- oder Gruppentrainings) mit einem Trainer oder einer Trainerin.
Nur wenn es zu einem passt, wird man es auch langfristig beibehalten.
Sie möchten es ausprobieren? Sprechen Sie mit Ihrem Arzt/Therapeuten oder ihrer Ärztin/Therapeutin darüber, um gemeinsam herauszufinden, was zu Ihnen passen könnte. Natürlich sind wir im Gesundheitszentrum Schweitzer bei Fragen auch immer sehr gerne erreichbar.
Quellen:
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